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Beitrag vom 11.11.2005
Laufsteg durch drei Jahrhunderte
Ulrike Henning
Stilettos von Blahnik, Kleider von Chanel und Versace - ein Hauch von Glamour im Kunstgewerbemuseum. Die Ausstellung ist noch bis zum 06. Februar 2006 geöffnet.
Berlin soll wieder Modestadt werden - daran drehen nicht nur diverse Messen, wie die "Bread and Butter", oder junge Designer, die sich in hippen Stadtvierteln ansiedeln, sondern nun auch die Museen. Nach der Armani-Ausstellung 2003 in der Neuen Nationalgalerie bringt sich jetzt das Kunstgewerbemuseum im Kulturforum am Potsdamer Platz ins Gespräch. Vor zwei Jahren erwarb das Haus die umfangreiche private Modesammlung des Schweizer Bühnen- und Kostümbildners Martin Kamer. Damit gelangten etwa 1500 wertvolle Kleidungsstücke und Accessoires nach Berlin, dazu 60 Preziosen des Kunsthändlers Wolfgang Ruf. Die über 600 Kostüme, Kleider, Westen und Hosen stammen aus dem 18. bis 20. Jahrhundert. Hinzu kommen verschiedenste Accessoires, darunter Schuhe, Hüte, Hauben und Strumpfbänder. Oder eben auch ein Paar Stilettos von Manolo Blahnik, dessen Schuhwerk mit der TV-Serie "Sex and the City" zu besonderem Ruhm aufstieg.
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Minikleid mit Pop-Art Motiven. Siebdruck auf Papiervlies, bedruckt mit Köpfen von Hollywood-Schauspielern im Stile von Andy Warhols Prominenten-Köpfen, USA, um 1968. Foto: Saturia Linke |
Der in London lebende Kamer trug die Sammlung in mehr als 30 Jahren, zunächst auch auf Flohmärkten, mit Leidenschaft und Qualitätsbewusstsein zusammen. Heute sind viele der Kleidungsstücke aus dem
18. und 19. Jahrhundert nicht einmal mehr auf dem internationalen Kunstmarkt erhältlich. So erzielte ein Reifrock, wie ihn auch das Haus nähe des Potsdamer Platzes nun besitzt, kürzlich bei Christie´s 60.000 Euro. Folglich ist es nicht überraschend, dass das Kunstgewerbemuseum für die neu erworbenen Schätze insgesamt sechs Millionen Euro zahlen muss. Zur Finanzierung trugen neben der Kulturstiftung der Länder auch private Spender bei. Für den Erhalt der Sammlung werden noch Mode-Paten gesucht.
Bis Anfang Februar wird erstmalig ein Querschnitt dieser Sammlung gezeigt. Dazu gehören das mit silberfarbigen Fäden bestickte englische Kleid aus Seide und Baumwollnessel von 1765, aber auch die von Paco Rabanne entworfenen Hotpants aus roten und schwarzen Plastikscheiben von 1974. Das Konzept der ersten Schau fasst die insgesamt 50 Stücke nach
Themen wie Opulenz, Antike oder Geometrie zusammen. So können sich Modeinteressierte für das eigene Outfit inspirieren lassen und BesucherInnen vom Fach für neue Projekte. Angesichts gebauschter Röcke, fein bestickter Kleider und glänzender Gewänder leuchten nicht nur den Damen die Augen. Der museale und pädagogische Wert besteht in einem faszinierenden Einblick in die fernere und nähere Kulturgeschichte. Betrachtungen über den gesellschaftlichen Stand der Trägerin lassen sich anstellen, ausgehend von der einfachen Überlegung, welche Bewegungsfreiheit Frauen beispielsweise in den weiten Krinolinen hatten.
Zu bewundern sind auch besondere Verarbeitungstechniken wie bei einem Gesellschaftskleid aus den USA von 1845. Braun und blau changiert der Seidendamast, in kleinen Karos unterschiedlicher Breite schimmert das Licht. Diesen Effekt verdankt das sonst nur sparsam verzierte Stück dem kunstvollen Wechsel zwischen Leinwand- zur Atlasbindung.
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Dreiteilige Galarobe. Elfenbeinfarbiger Seidenrips mit gold-, silber- und kupferfarbenen Metallfäden lanciert und broschiert, verziert mit Silberspitze und Silbertroddeln, England, um 1765/70. Foto: Saturia Linke |
Kleidung im Museum stellt jedoch auch hohe Anforderungen. So erklärt sich unter anderem der zeitliche Abstand zwischen dem Ankauf der Sammlung und ihrer ersten Präsentation. Mehrere Wochen dauerte allein die prophylaktische Mottenbehandlung. Für die jetzt gezeigte Auswahl mussten jeweils individuelle Figurinen angefertigt werden, da die Maßanfertigungen gewöhnlichen modernen Schaufensterpuppen in der Regel nicht "passen". Für die Ausstellung gilt, dass zurückhaltend und eher weniger beleuchtet wird: Jeder Lichtstrahl würde die Farben weiter ausbleichen.
Dennoch verfolgt das Kunstgewerbemuseum ehrgeizige Pläne, soll doch - auch mit einigen Umbauten im Inneren -
das Profil des Hauses mehr auf Design und Mode orientiert werden. Ab Ende 2007 wird dann im offenen Zwischengeschoss eine
"Spur der Couturiers des 20. Jahrhunderts" zu verfolgen sein, wobei von 50 Modeschöpfern je zwei Objekte zu sehen sind. Weitere Modelle werden den schon bestehenden Epochenräumen zugeordnet.
Ausstellung "Laufsteg Mode"
bis zum 5. Februar 2006im Kunstgewerbemuseum (Kulturforum Potsdamer Platz)
Öffnungszeiten: Di - Fr 10 - 18 Uhr, Sa/So 11 -18 Uhr.
Der Katalog kostet 19,50 Euro.